Wie bereits angekündigt, hat Isabell am vergangenen Sonntag die BioOst-Messe in Leipzig besucht. Die Messe war kleiner angelegt als die BioWest, stand ihr inhaltlich jedoch in nichts nach. Auch hier gab es spannende Gespräche und aktuelle Branchenzahlen, die viele unserer Eindrücke bestätigten – und gleichzeitig neue Denkanstöße lieferten.
BioOst im Vergleich: kleiner, aber nicht weniger bedeutend
Die Messe in Leipzig präsentierte sich deutlich reduzierter: weniger Aussteller, ein spürbar geringeres Angebot im Non-Food-Bereich – insbesondere bei Naturkosmetik sowie Wasch- und Reinigungsmitteln, die in Düsseldorf deutlich stärker vertreten waren. Das war für uns durchaus schade – nicht nur wegen unserer Rolle als Standardgeberin für NCS und NCP, sondern auch, weil wir gerade in diesen Segmenten viele Chancen für Profilierung und Differenzierung im Fachhandel sehen.
Dennoch: Die Gespräche auf der BioOst waren persönlich, intensiv und inhaltlich sehr wertvoll. Es war deutlich spürbar, dass die Bio-Branche aktuell mit vielen Fragen und Herausforderungen ringt – und genau darin liegt die Chance. Denn wo Gewissheiten ins Wanken geraten, entsteht Raum für neue Ideen und vielleicht auch für neue Wege.
Fachvortrag von Simon Döring: Endlich Zahlen – und Klartext
Zu unserer Freude konnte der Vortrag von Simon Döring (BioBerater SDServices) auf der BioOst nun doch noch stattfinden. Nachdem sein Beitrag auf der BioWest krankheitsbedingt ausgefallen war, hatten wir nun endlich die Gelegenheit, seine aktuellen Marktzahlen und Einordnungen zu hören – und vieles davon bestätigte das, was wir in Düsseldorf bereits diskutiert hatten.
Vor allem eines: Die Diskussion um „mehr Bewusstsein bei Verbraucher*innen“ ist überholt.
Döring stellte klar: Der Naturkostfachhandel wird immer ein Nischengeschäft bleiben. Die Kundschaft ist stabil – etwa 5 % der Bevölkerung – aber sie wächst nicht plötzlich durch mehr Plakate oder bessere Aufklärung. Bio im Fachhandel ist kein Massenphänomen, und das muss er auch gar nicht sein.
Der LEH als Sprungbrett – nicht als Feindbild
Besonders spannend war Dörings Sicht auf die Rolle des konventionellen Lebensmitteleinzelhandels. Anders als oft befürchtet, sieht er keine direkte Konkurrenzsituation, sondern vielmehr eine Art Anschubfunktion:
„LEH-Bio“ bringt Menschen überhaupt erst in Kontakt mit dem Thema – und weckt bei manchen das Interesse, sich intensiver mit Qualität und Auswahl auseinanderzusetzen. Wer dann mehr will, landet irgendwann im Bioladen.
Auch die Zahlen sprechen dafür: Nur 2017, als Bio im LEH richtig Fahrt aufnahm, gab es einen kurzen Rückgang bei Umsatz und Kundenfrequenz im Fachhandel. Danach normalisierten sich die Zahlen schnell wieder. Laut Döring lässt sich kein langfristiger Zusammenhang zwischen LEH-Bio und Umsatzeinbrüchen im Fachhandel erkennen.
Erfolg ist individuell – aber Marketing ist ein Schlüssel für alle
In seiner Beratungspraxis sieht Döring die Ursachen für wirtschaftliche Herausforderungen im Fachhandel weniger in strukturellen Marktveränderungen, sondern stärker in sehr konkreten, oft individuellen Faktoren:
- schwaches Controlling,
- ein Sortiment, das nicht zur Zielgruppe passt,
- ungünstige Ladengröße,
- und vor allem: unzureichendes Marketing.
Viele Bioläden ruhen sich – verständlich, aber gefährlich – auf dem Gedanken aus, dass ihre Werte und Qualität „schon irgendwie sichtbar“ seien. Dörings klare Botschaft:
„Wir denken, wir sind die besten – und glauben, das wüsste schon jeder. So funktioniert Kommunikation aber nicht.“
Wirtschaftlich auf Kurs – aber eng getaktet
Trotz aller Herausforderungen gibt es Lichtblicke:
- Die durchschnittliche Gewinnmarge inhabergeführter Bioläden liegt aktuell bei 5,4 %,
- nach Abzug des Inhaberlohns bleibt etwa 1 % Überschuss – deutlich besser als noch 2023.
- Handelsspannen konnten um 1–2 % erhöht werden – ein Hinweis darauf, dass Preisanpassungen funktionieren.
- Läden mit Gastronomie erzielen bis zu 40 % mehr Ertragswachstum – ein Potenzial, das künftig gezielter genutzt werden sollte.
Podiumsdiskussion zur Preisentwicklung: Mehr als eine Frage des Geldes
Als wir die Ankündigung zur Podiumsdiskussion „Warum wird das immer teurer?“ sahen, fragten wir uns ehrlich gesagt zunächst: Was will man da eine Stunde lang besprechen? Die Ursachen für steigende Preise scheinen auf den ersten Blick schließlich offensichtlich: Krisen, Kriege, Inflation, Energiepreise – all das sind unmittelbare Preistreiber, die uns seit Jahren begleiten – nicht nur in der Biobranche. Und auch mit ganz normaler Inflation wird langfristig nun mal alles teurer.
So war es auch wenig überraschend, dass die Diskussionsrunde zunächst genau diese Punkte nannte:
- Klimabedingte Ernteausfälle (z. B. bei Ostmost),
- steigende Logistikkosten,
- höhere Rohstoffpreise,
- volatiler Börsenhandel, insbesondere bei Produkten wie Kaffee (Ökotopia sprach jedoch von 28 Preisfaktoren allein dort),
- und natürlich die allgemein gestiegenen Energiekosten.
Neu war das für uns nicht – aber die Diskussion nahm dann doch eine spannendere Wendung: Es ging weniger darum, die Preisentwicklung zu beklagen, sondern darum, wie der Fachhandel damit umgehen kann. Und dabei rückte ein Punkt in den Mittelpunkt, der oft zu kurz kommt: die Eigenverantwortung der Ladeninhaber*innen.
Was heißt das konkret?
Wer Preise nicht nur rechtfertigen, sondern auch vermitteln will, muss mehr bieten als Zahlen: Atmosphäre, Vertrauen, Austausch, Transparenz. Malte Reupert von Biomare brachte es auf den Punkt: Das Einkaufserlebnis spielt im Naturkostfachhandel eine zentrale Rolle – und das lässt sich nicht ins Regal der Discounter kopieren.
Auch hier wurde erneut deutlich: Preisfragen sind nicht nur betriebswirtschaftliche, sondern auch kommunikative Herausforderungen. Wer seine Werte sichtbar macht, kann auch Preisdiskussionen anders führen. Und genau dafür braucht es – wieder einmal – besseres Marketing, überzeugende Kommunikation und eine klare Haltung.
Dazu gehört jedoch auch der Mut, unternehmerisch zu denken und zu handeln. In der Bio-Branche wird Unternehmertum oft kritisch betrachtet, aber gerade daran fehlt es häufig. Wer nicht bereit ist, auch die gewinnorientierten Aspekte des Unternehmertums anzunehmen, verpasst nicht nur Chancen, sondern blockiert auch sein eigenes Wachstum und die Möglichkeit, sich langfristig zu beweisen.
Unser Fazit: BioOst bestätigt, vertieft – und fordert heraus
Die BioOst war für uns kein Event voller Neuigkeiten – sondern vielmehr eine Veranstaltung der Bestätigung und Vertiefung. Viele Thesen und Beobachtungen aus Düsseldorf wurden durch Zahlen und Analysen untermauert. Gleichzeitig wurde klar: Der Bio-Fachhandel wird nicht wieder „groß“, weil er es „verdient“ – sondern nur, wenn er sich ehrlich und konkret weiterentwickelt.
Es braucht keine Illusionen über Masse, sondern Klarheit über die eigene Rolle in der Nische. Das ist keine Schwäche – das ist eine Positionierung.
Und es braucht ein Marketing, das die Stärken dieses Handelsmodells endlich selbstbewusst erzählt.