Update CSRD & Omnibus 10/2025: Wenn konservativ-rechte Allianzen Nachhaltigkeitspolitik diktieren

Was als Vereinfachung verkauft wird, könnte das Aus für echte Nachhaltigkeitstransparenz bedeuten. Die jüngsten Entwicklungen zur CSRD-Reform werfen ernste Fragen auf.

Die Corporate Sustainability Reporting Directive (CSRD) sollte ein Meilenstein werden. Ein Instrument, das Unternehmen europaweit zu transparenter Nachhaltigkeitsberichterstattung verpflichtet. Doch was seit Anfang des Jahres im Europäischen Parlament verhandelt wurde, lässt aufhorchen: Die sogenannte Omnibus-Initiative droht, die CSRD so stark abzuschwächen, dass von der ursprünglichen Ambition kaum noch etwas übrig bleibt.

8. Oktober 2025: Wie die EVP die CSRD abschwächte

Am Abend des 8. Oktober kam es im EU-Parlament zu einer überraschenden Wende. Nach massivem Druck der konservativen EVP-Fraktion, die mit einer Allianz mit rechten Kräften drohte, gaben die Sozialdemokraten (S&D) nach. Das Ergebnis: weitreichende Ausnahmen und Abschwächungen, die die Nachhaltigkeitsberichterstattung in Europa grundlegend verändern werden.

Die Verhandlungsführerin der S&D, Lara Wolters, trat daraufhin aus Protest von ihrer Position zurück – ein deutliches Signal dafür, wie umstritten diese Kompromisse sind.

Die konkreten Änderungen: Wer ist noch berichtspflichtig?

Anhebung der Schwellenwerte

Nach den neuen Plänen sollen Unternehmen mit weniger als 1.000 Mitarbeitende grundsätzlich von der CSRD-Berichtspflicht ausgenommen werden. Zum Vergleich: Ursprünglich sollten alle „großen“ Unternehmen im bilanzrechtlichen Sinne berichten – also solche, die mindestens zwei der drei Kriterien erfüllen:

  • Mehr als 250 Mitarbeitende
  • Mehr als 20 Millionen Euro Bilanzsumme
  • Mehr als 40 Millionen Euro Nettoumsatz

Diese Anhebung auf 1.000 Mitarbeitende bedeutet: Tausende mittelständische Unternehmen, die bisher in den Anwendungsbereich fielen, sind nun außen vor.

Das deutsche Bundesministerium für Justiz (BMJV) schätzt in seinem Regierungsentwurf zur CSRD-Umsetzung, dass nach vollständiger Umsetzung der Omnibus-Änderungen nur noch bis zu 3.900 Unternehmen in Deutschland berichtspflichtig sein werden. Eine drastische Reduzierung.

Auch die CSDDD wird ausgehöhlt

Parallel zur CSRD wird auch die Corporate Sustainability Due Diligence Directive (CSDDD) – die EU-Lieferkettenrichtlinie – massiv abgeschwächt. Die neuen Schwellenwerte von 5.000 Mitarbeitenden und 1,5 Milliarden Euro Umsatz bedeuten, dass Sorgfaltspflichten in der Lieferkette nur noch für eine Handvoll Großkonzerne gelten. Eine gemeinsame zivilrechtliche Haftungsregelung wurde komplett gestrichen.

Warum ist das problematisch?

  1. Flickenteppich statt flächendeckende Transparenz – und die Mittelständler zahlen trotzdem

Wenn große Teile der Wirtschaft von Berichtspflichten ausgenommen werden, entsteht ein Flickenteppich an Transparenz. Während eine kleine Gruppe von Großunternehmen umfassend berichten muss, bleibt ein großer Teil der Wirtschaft im Dunkeln.

Doch hier entsteht ein Paradox: Auch nicht berichtspflichtige mittelständische Unternehmen werden indirekt betroffen sein. Denn große berichtspflichtige Unternehmen müssen Angaben über ihre Wertschöpfungskette machen – und werden diese Daten von ihren Zulieferern einfordern. Die Folge:

  • Mittelständler müssen Nachhaltigkeitsdaten liefern, ohne selbst klare regulatorische Vorgaben zu haben
  • Es entstehen unterschiedliche Datenanfragen verschiedener Großkunden, statt eines einheitlichen Standards
  • Ineffizienz für alle: Große Unternehmen bekommen uneinheitliche Daten, kleine kämpfen mit verschiedenen Formaten und Anforderungen
  • Die beabsichtigte Entlastung wird zum bürokratischen Wildwuchs

Eine einheitliche Berichtspflicht für mehr Unternehmen hätte hier tatsächlich für Klarheit und Effizienz sorgen können, sowohl für berichtspflichtige Großunternehmen als auch für ihre Zulieferer.

  1. Zweiklassengesellschaft bei Nachhaltigkeit

Es entsteht eine Spaltung: Ein kleiner Kreis von Großunternehmen, die umfassend berichten müssen – und ein großer Rest, für den Nachhaltigkeit weitgehend optional bleibt. Das untergräbt das Ziel einer flächendeckenden Transformation zu nachhaltigem Wirtschaften.

Nachhaltigkeit wird so zum Privileg oder zur Last der Großen, statt zum gemeinsamen Standard. Dabei bräuchten wir gerade eine breite Bewegung, bei der Unternehmen jeder Größe ihren Beitrag leisten – mit klaren, aber angemessenen Anforderungen.

  1. Glaubwürdigkeit des EU Green Deal in Gefahr

Der Green Deal der EU wurde als ambitioniertes Programm angekündigt. Die jetzigen Abschwächungen senden jedoch ein gegenteiliges Signal: Wirtschaftliche Partikularinteressen scheinen wichtiger zu sein als konsequenter Klimaschutz und soziale Verantwortung.

Der politische Kontext: Wirtschaftsinteressen vor Klimaschutz?

Bemerkenswert ist nicht nur das Ergebnis, sondern auch wie es zustande kam. Die EVP-Fraktion setzte die Sozialdemokraten massiv unter Druck und drohte, notfalls gemeinsam mit rechten und rechtspopulistischen Fraktionen zu stimmen. Unter diesem Druck gaben die Sozialdemokraten nach – ihre Verhandlungsführerin Lara Wolters trat daraufhin zurück.

Dieser Vorgang wirft grundsätzliche Fragen auf: Wenn bereits bei der Nachhaltigkeitsberichterstattung – einem vergleichsweise technischen Thema – so vorgegangen wird, was bedeutet das für künftige klimapolitische Gesetzesvorhaben? Die Signalwirkung ist problematisch: Wer am lautesten droht und den größten politischen Druck aufbaut, bekommt am Ende Ausnahmen und Abschwächungen.

Wie geht es weiter?

Die nächsten Schritte sind:

  • 13. Oktober: Abstimmung im Rechtsausschuss (JURI)
  • Folgewoche: Abstimmung im Plenum des EU-Parlaments
  • November/Dezember: Trilog-Verhandlungen zwischen Kommission, Rat und Parlament zur Ausarbeitung des finalen Gesetzestextes

Noch ist nicht alles entschieden. Beispielsweise ist weiterhin offen, ob die Umsatzschwelle bei 450 Millionen Euro oder bei 50 Millionen Euro liegen wird – ein gewaltiger Unterschied.

Was bedeutet das für die Praxis?

Für betroffene Unternehmen

Wenn Sie als Unternehmen knapp über oder unter den neuen Schwellenwerten liegen, herrscht derzeit Unsicherheit. Unser Rat:

  • Beobachten Sie die Entwicklungen genau – noch kann sich vieles ändern
  • Bereiten Sie sich trotzdem vor: Selbst wenn Sie nicht berichtspflichtig werden, können Ihre Kunden (große berichtspflichtige Unternehmen) Nachhaltigkeitsinformationen von Ihnen verlangen
  • Nutzen Sie freiwillige Standards: Zertifizierungen wie CSE (Certified Sustainable Economics) können Ihnen helfen, sich vorzubereiten und glaubwürdig Ihre Nachhaltigkeitsleistung zu dokumentieren, unabhängig von gesetzlichen Pflichten

Ein fatales Signal an die junge Generation

Diese Abschwächungen senden ein problematisches Signal – besonders an junge Menschen, die mehr Klimaschutz und unternehmerische Verantwortung fordern, nicht weniger.

Gerade die junge Generation erwartet von Unternehmen Transparenz über ihre Nachhaltigkeitsleistung. Sie will wissen, bei welchen Arbeitgebern und Marken sie guten Gewissens arbeiten und kaufen kann. Statt dieser berechtigten Erwartung nachzukommen, wird die Berichtspflicht ausgehöhlt.

Die Botschaft ist fatal: Wenn wirtschaftlicher Druck groß genug ist, werden Klimaziele eben zurückgestellt. Genau das Gegenteil von dem, was wir bräuchten, um die nächste Generation für ambitionierten Klimaschutz zu gewinnen.

Unser Fazit

Die Omnibus-Änderungen mögen kurzfristig für weniger Bürokratie sorgen. Langfristig zahlen wir jedoch einen hohen Preis: Weniger Transparenz, schwächere Standards und eine verpasste Chance, Nachhaltigkeit als echten Wettbewerbsfaktor zu etablieren.

Was als technische Vereinfachung daherkommt, ist in Wahrheit ein Rückschritt. Die EU riskiert, ihre Vorreiterrolle bei nachhaltiger Unternehmensführung zu verspielen – genau zu einem Zeitpunkt, an dem wir mehr Ambition bräuchten, nicht weniger.

Die Frage ist nicht, ob Unternehmen zur Nachhaltigkeit verpflichtet werden sollten. Die Frage ist, ob wir es uns leisten können, sie nicht zu verpflichten.

Sie übernehmen bereits Verantwortung und möchten Ihre nachhaltige Unternehmensführung glaubwürdig kommunizieren? Kontaktieren Sie uns – wir beraten Sie gerne.

FAQ: Häufig gestellte Fragen zur CSRD Omnibus

Was ist die CSRD Omnibus und was ändert sich?

Die CSRD Omnibus ist eine EU-Initiative zur „Vereinfachung“ der Nachhaltigkeitsberichterstattung. Die wichtigste Änderung: Der Schwellenwert für berichtspflichtige Unternehmen steigt von 250 auf 1.000 Mitarbeiter. Das bedeutet, dass tausende mittelständische Unternehmen von der direkten Berichtspflicht ausgenommen werden.

Ab wann gelten die neuen CSRD-Regelungen?

Der genaue Zeitplan steht noch nicht fest. Nach der Abstimmung im Rechtsausschuss (13. Oktober) und im Plenum (folgende Woche) beginnen im November/Dezember 2025 die Trilog-Verhandlungen zwischen EU-Kommission, Rat und Parlament. Erst danach wird der finale Gesetzestext verabschiedet.

Betrifft die CSRD Omnibus auch mittelständische Unternehmen unter 1.000 Mitarbeitern?

Ja, indirekt. Auch wenn kleinere Unternehmen nicht mehr direkt berichtspflichtig sind, werden große berichtspflichtige Unternehmen Nachhaltigkeitsdaten von ihren Zulieferern einfordern. Mittelständler müssen also faktisch trotzdem Daten liefern – nur ohne einheitliche Standards, was zu einem bürokratischen Wildwuchs führen kann.

Wie viele Unternehmen sind nach der CSRD Omnibus noch berichtspflichtig?

In Deutschland werden nach Schätzung des Bundesjustizministeriums nur noch bis zu 3.900 Unternehmen zur Nachhaltigkeitsberichterstattung verpflichtet sein – eine drastische Reduzierung gegenüber den ursprünglichen Plänen.

Wird auch die CSDDD (Lieferkettenrichtlinie) abgeschwächt?

Ja, parallel zur CSRD wird auch die Corporate Sustainability Due Diligence Directive (CSDDD) massiv verwässert. Die neuen Schwellenwerte von 5.000 Mitarbeitern und 1,5 Milliarden Euro Umsatz bedeuten, dass Sorgfaltspflichten nur noch für wenige Großkonzerne gelten.

Sollte mein Unternehmen sich trotzdem auf Nachhaltigkeitsberichterstattung vorbereiten?

Ja, unbedingt. Auch wenn Sie formal nicht berichtspflichtig werden, können Ihre Großkunden (die berichtspflichtig sind) Nachhaltigkeitsinformationen von Ihnen verlangen. Zudem können freiwillige Zertifizierungen wie CSE (Certified Sustainable Economics) Ihnen Wettbewerbsvorteile verschaffen.

Warum ist die Abschwächung der CSRD problematisch?

Die Abschwächung schafft einen Flickenteppich an Transparenz, bei dem mittelständische Zulieferer indirekt trotzdem betroffen sind – nur ohne klare Standards. Zudem entsteht eine Zweiklassengesellschaft, bei der Nachhaltigkeit zum Privileg oder zur Last der Großen wird, statt zum gemeinsamen Standard.

Was kann ich als Unternehmen jetzt tun?

Beobachten Sie die Entwicklungen genau, bereiten Sie sich trotzdem auf mögliche Datenanfragen vor, und erwägen Sie freiwillige Nachhaltigkeitszertifizierungen. Diese können Ihnen helfen, glaubwürdig Ihre Nachhaltigkeitsleistung zu dokumentieren – unabhängig von gesetzlichen Pflichten.

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